Alte Stereo-Bilder und eine Sage vom Mäuseturm: |
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Der Mäuseturm bei Bingen |
Am Eingang zur schauerlichen Felsschlucht, in die sich der Rhein bei Bingen hineinzwängt, erhebt sich auf dem rechten
Ufer des Stroms zwischen den Gesträuchen und Weinbergen der Rüdesheimer Höhen die Ruine der stolzen Burg
Ehrenfels; inmitten der brausenden Fluten des Rheins aber ragt auf einer Felseninsel ein düsteres Gemäuer empor,
das unter dem Namen "Mäuseturm" oder "Hattos Turm" berüchtigt geworden ist. Das alte Bauwerk steht hart bei dem
sogenannten Binger Loch, wo der Strom über Klippen rauscht und nur eine enge Durchfahrt freiläßt, die man einst
für sehr gefährlich hielt; man glaubte, daß die Trümmer von Fahrzeugen, die das Binger Loch verschlungen, an der
Felsenbank von St. Goar wieder zum Vorschein kämen. Aber seit langer Zeit kennt der Schiffer diesen Weg so genau, daß
die Durchfahrt nur bei Sturm bedenklich ist; jetzt sind die meisten der gefährlichen Felsen gesprengt.
Im Anfang des zehnten Jahrhunderts lebte in jener Gegend ein gewisser Hatto, der durch Wohlleben, Übermut und
Hartherzigkeit weithin verrufen war. Der ehrgeizige Mann wurde schließlich zum Erzbischof von Mainz erhoben. Nachdem er
jahrelang seines Amtes gewaltet hatte, wurde das gesegnete Land am Rhein von schweren Plagen heimgesucht. Schwüle Hitze
brannte die reichen Felder aus; eine starke Wasserflut vernichtete alle Hoffnung auf die Ernte; überall herrschte Not
und Teuerung. Nur Hatto spürte nichts davon; denn seine Speicher waren gefüllt, und er scheute sich auch nicht,
üblen Getreidewucher mit seinen Vorräten zu treiben. Die Not stieg immer höher, und das arme, ausgehungerte
Volk bestürmte den reichen Kirchenfürsten mit der flehentlichen Bitte um Brot. Der hartherzige Mann aber wollte
nicht an seine Pflicht erinnert werden und ließ die Armen fortjagen; es seien nur Müßiggänger, sagte er,
die sich ihr Brot auf leichte Art durch Bettel erwerben wollten. Doch nur um so stärker erscholl die Klage, man
hörte sogar Worte der Verwünschung, aus der die Verzweiflung zu erkennen war. Denn der Erzbischof hatte sich beim
Volke durch Bedrückungen schon längst verhaßt gemacht; immer neue Bittsteller vermehrten die Schar der
Flehenden, die schließlich mit Gewalt zu drohen schienen, da er ihrem Flehen kein Gehör schenkte. Hatto sah darin
einen Aufstand, rief seine Waffenknechte herbei und befahl ihnen, die frechen Empörer zu ergreifen. Die Söldner
stürmten heran und zerstreuten die zusammengerottete Menge nach kurzem Widerstand. Groß war die Zahl derer, die
man gefangen ins Schloß führte. "Sie trachten nach meiner Frucht", erklärte Hatto mit bitterem Hohn. "Gut!
Man sperre sie in eine der Scheunen!" Die Knechte schleppten die Ärmsten hinein, und der grausame Herr befahl, die
Scheune in Brand zu stecken. Bald loderten die Flammen ringsum empor, und das Klagegeschrei der Unglücklichen, für die
jeder Weg zur Rettung verschlossen war, drang zum Himmel. Mit satanischem Gelächter rief der Bischof: "Hört doch,
hört, wie die Kornmäuse pfeifen!" Den Aufruhr hatte der Bösewicht nun unterdrückt, der Strafe Gottes
aber vermochte er nicht zu entrinnen. Als sich Hatto am Abend nach dem Mahle in sein prächtiges Schlafgemach
zurückzog, hörte er plötzlich ein sonderbares Gepolter und ein durchdringendes Pfeifen. Kalter Schauer fuhr
ihm durch die Glieder. Mit einemmal sprangen Mäuse aus allen Wänden und Ritzen und fielen über den erschrockenen
Mann her. Heulend rief er seine Diener zu Hilfe; aber sie konnten den dichten Haufen der Tiere nicht abwehren; die Leute
bekreuzten sich entsetzt und flohen. Endlich warf sich Hatto zu Pferd, eilte mit einem Trupp seiner Knechte
stromabwärts und suchte Schutz in der Burg Ehrenfels. Doch die Plagegeister wimmelten auch hier durch das ganze
Schloß, ihn mit scharfen, quälenden Bissen verfolgend. Nun erwachte Hattos Gewissen, er fühlte seine
Sünde und flehte zum Himmel um Hilfe. Aber die gerechte Strafe, die ihn treffen sollte, war noch nicht vollendet. Er
floh daraufhin auf einem Kahn zu dem einsamen Turm, der sich auf der kleinen Rheininsel erhob, und - ließ dort sein
Bett an Ketten aufhängen. Aber die Mäuse schwammen durch die Flut, kamen ihm nach, schlüpften durch alle
Gitter und Löcher und nagten mit scharfem Biß so lange an seinem Leib, bis der geistliche Würdenträger
den Geist aufgab. Ja, selbst sein Name, der in die Tapeten des Gemachs gewirkt war, wurde von den Tieren zernagt.
Kaum war dies geschehen, so zerstreute sich das ganze Heer der Mäuse und wurde nicht mehr gesehen. Der Ort aber, wo
der Bischof seinen gerechten Lohn gefunden, heißt von jener Zeit an der "Mäuseturm". Noch oft soll bei Nacht,
wenn der Sturm braust und die Woge grollt, sein Geist gleich einer grauen Wolke das uralte Gemäuer umschweben;
somit hat der Bischof wegen seiner schweren Schuld noch immer nicht die ewige Ruhe gefunden.
(Quelle: Unbekannt. Der Urheber möge sich bitte bei mir melden.)
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Quelle: Das Rheintal in Historischen Stereofotos